Externer Trust: Schlüssel zur KI-Sichtbarkeit
In vielen Marketingabteilungen und Agenturen wird derzeit intensiv darüber diskutiert, wie sich Suchmaschinenoptimierung im Zeitalter von KI verändert. Sichtbarkeit bei Google war bisher ein Spiel aus Keywords, Struktur und Technik, doch mit der Verbreitung von LLMs wie ChatGPT, Perplexity oder Claude verschieben sich die Parameter.
Wie Sichtbarkeit im KI-Umfeld im Detail erzeugt werden kann, ist zu einem großen Teil noch Spekulation. Dennoch zeichnen sich erste Muster ab, aus denen sich vorsichtige Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Besonders deutlich wird: KI-Systeme gewichten den Faktor „Trust“ stärker als bisherige Suchmaschinen. Trust ist kein neuer Wert, auch in Google war das schon immer wichtig, um gefunden zu werden. Aber es gibt viele Signale, dass KI hier höhere Ansprüche hat. Vor diesem Hintergrund deutet es sich an, dass vor allem Inhalte, die andere über einen schreiben, besondere Beachtung finden.
Doch welche externen Inhalte sind tatsächlich relevant? Welche Wirkung entfalten sie in KI-Systemen und wie lassen sie sich gezielt erzeugen? Diesen Fragen gehen wir im folgenden Beitrag nach.
1. Trust bekommt im KI-Zeitalter die zentrale Rolle
Veränderte Basistechnologie erfordert andere Form von Trust
Sprachmodelle wie Chat GPT funktionieren anders als klassische Suchmaschinen. Sie durchforsten keine aktuellen Websites in Echtzeit, sondern greifen auf riesige Trainingsdaten zurück, gespeist aus Artikeln, Foren, Presse und vielem mehr.
Der Effekt: Erwähnt eine Quelle eine Marke regelmäßig in relevantem Kontext, wird diese Information als wahrscheinlich „wahr“ eingestuft. Eine Art kollektiver Vertrauens-Score entsteht durch Dritte. Genau darin liegt der Unterschied zur klassischen Onpage-SEO: Nicht die Performance einer Seite entscheidet, sondern die Reputation in einem breiten semantischen Netzwerk.
Externe Sphäre hat stärkeren Einfluss auf Sichtbarkeit als früher
KI-Modelle vertrauen dem, was vertrauenswürdig erscheint: Doch wie ergibt sich dieses Vertrauen? Die Antwort liegt in der externen Sphäre. Wer in Fachartikeln erwähnt, in Rankings geführt oder auf renommierten Portalen gelistet wird, gewinnt an semantischer Relevanz. Es ist der öffentliche Resonanzraum, der Sichtbarkeit erzeugt und nicht die perfekte Struktur der eigenen Seite.
An dieser Stelle muss erwähnt, dass auch Google die Sichtweise von Dritten auf die Website stark gewichtet. Es war sogar das Erfolgsrezept von Google, um die damaligen Konkurrenten wie z. B. Yahoo oder AltaVista für immer vom Markt zu verbannen. Was sich nach heutigem Kenntnisstand aber im Vergleich zum Google-Kontext verändert ist die Gewichtung: KIs werten die Fremdsicht noch wichtiger.
2. Die wichtigsten externen Trust-Faktoren im Überblick
ChatGPT & Co. werten keine HTML-Struktur aus, sondern Sprachmuster, Häufigkeit, Quelle und Kontext. Das verändert die Spielregeln und verschiebt die Wirkung der bekannten Trust-Faktoren. Konkret lässt sich das an Stellgrößen aufzeigen, die schon immer zum SEO-Repertoire gehörten. Sie erhalten im Zeitalter von KI eine veränderte Bedeutung oder eine andere strategische Rolle. Exemplarisch hierfür sind:
Markenerwähnungen
Früher waren reine Namensnennungen ohne Verlinkung aus SEO-Sicht nahezu wirkungslos. Für KI hingegen zählen sie als starkes Reputationssignal, sofern sie in seriösen, thematisch passenden Texten vorkommen. KI-Modelle erkennen Wiederholungen, semantische Nähe und Autoritätsquellen. Eine Marke, die regelmäßig im Zusammenhang mit Fachthemen erwähnt wird, steigt im Vertrauensranking, auch ohne klassischen Link.
Backlinks
Backlinks galten lange als das zentrale Rankingkriterium bei Google. Auch für KI bleibt die Erwähnung durch andere Seiten wichtig, allerdings rückt die bloße technische Verlinkung in den Hintergrund. Sprachmodelle gewichten den Kontext: Wer erwähnt wen, in welchem thematischen Rahmen, mit welcher Tonalität? Entscheidend ist nicht der Link selbst, sondern die Autorität und Relevanz des Umfelds.
Gastbeiträge
Während Google insbesondere dofollow-Links aus Gastbeiträgen bewertet, erkennen KIs den Wert des Inhalts selbst, unabhängig von der technischen Linkstruktur. Ein Fachbeitrag auf einem renommierten Portal erzeugt Sichtbarkeit, weil er einerseits das Thema präzise behandelt und andererseits von einer vertrauenswürdigen Quelle stammt. Die Nennung des Autors oder der Organisation stärkt zusätzlich die Zuordnung im KI-Modell.
Verzeichnisse und Plattformen
In der SEO-Welt wurden Einträge in Verzeichnissen oft zur Basisverlinkung genutzt, hatten aber begrenzte Wirkung auf Sichtbarkeit. Bei KIs gelten diese Seiten als strukturierte Quellen, in denen relevante Namen, Branchen oder Dienstleistungen zusammenhängend genannt werden. Solche Erwähnungen dienen der semantischen Verortung, da sie bestätigen, dass ein Unternehmen „existiert“ und im relevanten Themenfeld zu finden ist.
Bewertungen und Portale
Plattformen wie Google oder speziell ausgerichtete wie z. B. Kununu, ProvenExpert oder Jameda galten im SEO als lokale oder UX-bezogene Signale. KIs nutzen sie hingegen als authentische Stimmen Dritter. Die Textstruktur von Bewertungen, oft wiederholte Begriffe, Erfahrungsberichte oder formale Nennungen, ist gut maschinenlesbar. Auch hier zählt nicht nur die Plattform, sondern ob die Erwähnung glaubwürdig, wiederkehrend und spezifisch ist.
Auszeichnungen und Siegel
Früher ein netter Eyecatcher auf der Website, heute ein Reputationsanker, sofern digital dokumentiert. KI-Modelle erkennen Auszeichnungen dann, wenn sie auf Awardseiten, in Presseartikeln oder Rankings nachvollziehbar erwähnt werden. Eine grafische Platzierung reicht nicht, entscheidend ist die textuelle Nennung in externen Quellen, idealerweise mit erklärendem Kontext.
Special-Interest-Portale
Fachportale mit redaktionellem Anspruch haben bei KI-Sichtbarkeit oft mehr Gewicht als allgemeine Medien. Warum? Weil ihre Inhalte gezielter, inhaltlich tiefer und semantisch klarer sind. Wenn Unternehmen dort auftauchen, wird das als fachliche Relevanz gewertet, was für Sprachmodelle ein besonders starkes Signal ist.
Vorträge und Konferenzen
Klassisch kaum SEO-relevant, sind Speaker-Auftritte im KI-Kontext wertvoll, wenn sie digital auffindbar sind. KIs erkennen Erwähnungen in Programmen, Recaps, Presseberichten oder Veranstalter-Websites. Wer dort als Referenz oder Zitat erscheint, wird mit Expertise assoziiert, selbst dann, wenn der Vortrag selbst nicht online abrufbar ist.
Verbandsteilnahmen
Auch Mitgliedschaften oder Listungen auf Verbandsseiten hatten bei Google nur begrenzte Relevanz. Für KIs sind sie Teil des semantischen Netzes: Eine Firma, die auf einer Fachverband-Seite genannt wird, wird mit dieser Branche in Verbindung gebracht, wenn die Umgebung aus weiteren seriösen Namen besteht.
PR
„Tue Gutes und rede darüber“ – so lautete schon immer das Prinzip der Public Relations: Andere dazu zu bringen, positiv über ein Unternehmen, eine Person oder Organisation zu berichten. PR-Agenturen übernehmen seit jeher diese Aufgabe für Unternehmen, Politiker und öffentliche Persönlichkeiten. Wer jemals versucht hat, selbst einen Beitrag in einer noch so kleinen Fachzeitschrift unterzubringen, kennt die Herausforderung: Medien bilden einen Filter gesellschaftlicher Relevanz, der nur schwer zu umgehen ist.
Online-PR
Heutzutage findet nahezu jede PR-Maßnahme online statt: Dennoch wird „Online-PR“ bewusst als eigene Kategorie betrachtet. Mit dem Aufkommen des „Web 2.0“ etablierte sich eine neue Form der Veröffentlichung, die es Unternehmen erstmals ermöglichte, ihre Inhalte direkt und ohne journalistische Filter in den Umlauf zu bringen. Gerade für kleinere Unternehmen war das die Gelegenheit, mediale Sichtbarkeit zu generieren.
Ein zusätzlicher Vorteil lag in der SEO-Wirkung: Die über Online-PR erzeugten Backlinks galten als wertvolle Quellen für „Linkjuice“ und trugen zur Vertrauensbildung über Google bei. Als diese Form der Verbreitung zunehmend für SEO-Zwecke verwendet wurde, reagierte Google mit schrittweiser Abwertung, bis hin zur Einstufung als Spam.
Im aktuellen Kontext jedoch, in dem Markenerwähnungen in seriösen Umfeldern wieder deutlich an Relevanz gewinnen, könnte Online-PR eine neue strategische Bedeutung erhalten.
Advertorials
Wer es nicht zu „echten Veröffentlichungen“ geschafft hat, der hat es mit Advertorials versucht. Das sind gekaufte Veröffentlichungen, die aber den Anstrich einer „echten“ Veröffentlichung haben. Bei Advertorials muss man etwas unterscheiden: Sichtbarkeit auf der Seite des Publishers (z. B. wichtige Wirtschaftsmagazine wie Handelsblatt, WiWo usw). und Sichtbarkeit auf der eigenen Website. Bezüglich der Sichtbarkeit auf Seiten des Publishers konnten – je nach SEO-Power des Publishers – durchaus Sichtbarkeitseffekte erzeugt werden. Aber: Für die Sichtbarkeit der eigenen Seite hat das i. d. R. keine Auswirkungen gehabt. Denn die Beiträge wurden i. d. R mit einem sogenannten nofollow-Backlink ausgestattet. In der Welt der KI-Sichtbarkeit gibt es aber einen positiven Effekt: Da Markenerwähnungen in einem renommierten Umfeld stattfinden, werten Sprachmodelle dies als positiven Ranking-Faktor.
Im Folgenden eine tabellarische Zusammenfassung:
3. Sonderstellung von Social Media & Influencern bei der KI-Sichtbarkeit
Geht es um die Erzeugung von Trust, darf Social-Media nicht fehlen. Plattformen wie LinkedIn, YouTube oder Instagram haben in den letzten Jahren maßgeblich zur Meinungs- und Vertrauensbildung beigetragen. Doch wie wirken sich diese Signale konkret auf die Sichtbarkeit in Suchsystemen und KI-Anwendungen aus?
Sichtbarer Einfluss auf Google, aber nur indirekt
Google selbst berücksichtigt keine Social Signals wie Likes, Shares oder Follower-Zahlen als direkte Rankingfaktoren. Die Algorithmen bewerten keine Reichweite, sondern Relevanz, die entsteht, wenn Social-Media-Inhalte über ihren Ursprungsort hinaus sichtbar werden. Entscheidend ist:
- ob ein Beitrag öffentlich auffindbar ist (z. B. ein LinkedIn-Post mit eigener URL)
- ob er von Dritten verlinkt oder zitiert wird (z. B. in Fachartikeln oder Medienbeiträgen)
- ob dadurch Backlinks oder Traffic entstehen, die in das Gesamtbild der Website einfließen
Die Relevanz variiert je nach Plattform:
- LinkedIn gilt als besonders sichtbar im Google-Kontext, vor allem bei Themen wie Recruiting, B2B-Kommunikation und Thought Leadership
- YouTube besitzt als Google-eigene Plattform eine Sonderrolle: Inhalte sind vollständig indexierbar und in den Suchergebnissen direkt präsent
- Instagram, TikTok und Facebook dagegen bleiben bislang eher schwach. Auch wenn Instagram seit Juli 2025 technisch besser indexierbar ist, zeigen sich bisher kaum spürbare Auswirkungen auf das Ranking
Einfluss auf KI-Systeme: Social Media ist (noch) keine Primärquelle
Wieso greifen KI-Tools Social-Media Plattformen nicht als Quellen auf? Viele Beiträge sind visuell geprägt, kurzlebig oder durch Plattformarchitektur und Loginbarrieren technisch nicht zugänglich. Interaktionssignale wie Likes, Shares oder Kommentare spielen für KI-Modelle keine Rolle, da sie weder semantisch noch kontextuell verwertbar sind.
Dennoch kann Social Media eine indirekte Wirkung auf KI-Sichtbarkeit entfalten, nämlich dann, wenn Inhalte über Dritte weitergetragen werden. Das ist etwa der Fall, wenn ein Social-Media-Post in einem journalistischen Beitrag, einem Blogartikel oder Interview zitiert wird. Auch eine sekundäre Verbreitung über Plattformen wie Reddit, Quora oder Medium kann relevant sein, da diese Quellen selbst als vertrauenswürdig gelten und häufig in Trainingsdaten von Sprachmodellen enthalten sind.
Was bislang fehlt, sind direkt verwertbare Trust-Signale aus sozialen Netzwerken. Visuelle Formate wie Stories, Reels oder Kommentarsektionen bleiben für KIs unsichtbar, es sei denn, sie werden verschriftlicht und auf öffentlich zugänglichen Drittseiten eingebunden. Erst dann entsteht eine maschinenlesbare Spur, die von KI-Systemen verarbeitet werden kann.
4. Fazit
Die Spielregeln der Sichtbarkeit verschieben sich. Während Google weiterhin auf technische Optimierung und strukturelle SEO setzt, verlangen KI-Systeme nach kontextuellem Vertrauen. Marken, die regelmäßig und glaubwürdig von anderen erwähnt werden, haben die besten Chancen, in Antworten aufzutauchen, egal ob bei ChatGPT, Perplexity oder Claude.
Wer morgen gefunden werden will, muss heute dafür sorgen, im Gespräch zu bleiben, insbesondere außerhalb der eigenen Website.
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