Der Sprung von Content Marketing zu PR
Im Content-Marketing-Alltag werden viele interessante Themen recherchiert, Blogs fleißig befüllt und die unterschiedlichen Social-Feeds versorgt. Doch selbst wenn es gelingt, das Social Engagement und die Zugriffzahlen auf der eigenen Website oder dem Blog zu verbessern, so bleibt eines meist aus: Der Content wird nur in Ausnahmefällen von Journalisten aufgegriffen und in Artikeln verwendet.
Marketingentscheider wundern sich: Sind Journalisten nicht ständig auf der Suche nach gutem Material? Müssten sie nicht froh sein, wenn sie auf die im Rahmen des Content-Marketings teils gründlich und gewissenhaft aufbereiteten Inhalte stoßen, um diese für ihre Berichterstattung zu nutzen? Offenbar scheint es hier eine unsichtbare Mauer zu geben.
Hier erfahren Sie, welche Kluft es gibt und wie man eine Brücke schlagen kann, um mit seinem Unternehmens-Content über die eigene Website, Blog oder Social Media-Profile hinaus auch in den „Medien“ wahrgenommen zu werden.
1. Verständnis für die Medien-Welt entwickeln
Die gesellschaftliche Aufgabe der Presse
Immer wieder bekommen Marketing- oder PR-Mitarbeiter folgenden Satz aus der Chefetage zu hören: „Warum sendet ihr die Info über unser neues Feature nicht an die Presse? Unsere Hausmesse ist doch bestimmt auch interessant für die? Die sind doch froh, wenn sie was zu schreiben bekommen, man muss es ihnen nur schicken.“ In diesen Aussagen spiegelt sich die (teils arrogante) Erwartungshaltung vieler Unternehmenslenker an die Öffentlichkeitsarbeit. Das eigene Wirken wird so wichtig genommen, dass es doch auch für die Allgemeinheit interessant sein müsste. Warum wird also nichts veröffentlicht?
Diese Denkweise ist der Ursprung eines falschen Verständnisses von Medien, Journalisten und der PR-Arbeit. Denn Journalisten haben nach wie vor die Aufgabe, die Öffentlichkeit objektiv zu informieren. Es ist unbestritten, dass diese Mission hier und da verwässert, interessengefärbt oder im schlimmsten Fall manipuliert ist. Dennoch folgen Journalisten einem auf diese Mission ausgerichteten Kodex. Was abstrakt klingt, ist im Alltag schnell und konkret spürbar. Jeder Unternehmer, der Journalisten mit platten Werbebotschaften versorgt, bekommt statt der erhofften Veröffentlichung schnell die kalte Schulter.
Gute PR-Arbeit hilft Journalisten bei ihrer Mission
Professionelle, gezielte Pressearbeit ist ein wichtiger Baustein bei dieser Mission. Die Bemühungen im Rahmen des Content-Marketings führen daher nicht zu Veröffentlichungen. Diesen Axiomen muss Rechnung getragen werden.
Auch Content-Marketing hat die Gesetzmäßigkeiten der Pressearbeit nicht verändert
Welche Kraft die journalistische Mission entfaltet, manifestiert sich auch im Phänomen Content-Marketing. Es ist erst mit der Digitalisierung des Marketings und dem Siegeszug der Suchmaschinen und Sozialen Medien entstanden. Es ist wesentlich indirekter als das bis dahin auf Werbebotschaften und Wiederholungen ausgerichtete klassische Marketing. Zweifelsohne hat das Content-Marketing die Denkweise der Marketingentscheider verändert und an die Philosophie der PR angenähert.
Marketing-Content wurde nutzerzentrierter und man hat sich weg von klassischen Push- hin zu Pull-Methoden entwickelt. Auch ist es richtig, dass man über die vielen Kommunikationskanäle die Presse mit seinen Botschaften prinzipiell direkt erreichen kann.
2. Public Relations bedeutet Relationship Building
Guter Content wird auch gefunden – wirklich?
In einer Welt, die sich zusehends in Richtung Inbound-Logik entwickelt gilt der Leitsatz: 99% aller Waren werden gekauft, nicht verkauft. Man kann den Kunden in einer übersättigten Welt nichts aufzwingen. Stattdessen ist guter Content („Content is King“) zu produzieren und beispielsweise über SEO (Suchmaschinenoptimierung) dafür zu sorgen, dass dieser gefunden wird. Selbst zwischen diesen beiden Parametern gibt es eine Korrelation. Denn Google sagt in den SEO-Richtlinien im ersten Satz als Tipp für eine bessere Sichtbarkeit: Schreibe guten Content (…).
Übertragen auf die Arbeit der Journalisten bedeutet das, dass man diesen Prinzipien folgend, relevanten Content produzieren soll, dann wird der gewünschte Journalist diesen auch finden – oder gar umgekehrt, dass die Information sich nur dank ihrer starken Relevanz den Weg direkt zum Journalisten bahnt.
Es mag sein, dass dies in gewissen Fällen funktioniert, aber die Mehrheit der Unternehmen sollte sich nicht darauf verlassen. Sie können davon ausgehen, dass es essenziell ist, persönlichen Kontakt zu Journalisten aufzubauen und ein langfristig angelegtes Relationship Management zu betreiben.
Der Content muss direkt zum Journalisten
Wenn man also nur darauf wartet, dass Journalisten guten Content von selbst finden, hat man zumeist das Nachsehen. Man muss sie explizit darauf aufmerksam machen. Und auch hier gilt: steter Tropfen höhlt den Stein. Wenn man auf Ablehnung oder mangelndes Interesse stößt, sollte man dies respektieren und herausfinden, was dem angebotenen Content fehlt, um die Hürde zu nehmen. Die wenigsten Journalisten können sich die Zeit nehmen individuelles Feedback zu jedem Stück Content zu geben, das ihnen angeboten wird.
Es hilft daher, sich mit den avisierten Medien gezielt auseinanderzusetzen und mit viel Feingefühl auch den Befindlichkeiten und Wünschen einzelner Redaktionsmitglieder zu widmen, die als „Gatekeeper“ hin zur Leserschaft fungieren. Es mag sein, dass Journalisten problemlos an Content gelangen können. Aber hier wird wieder der Alltag von Verlagen und Redaktionen übersehen. Journalisten haben eine Vielzahl an Quellen zur Auswahl. Die Gefahr, Fake-News aufzusitzen ist hoch und die damit verbundene Qualitätsprüfung und Kontrolle von Content sehr zeitaufwendig.
Vielen Verlagen sind – nicht nur im Print-Bereich – Anzeigenbudgets weggebrochen, Redaktionen mussten verkleinert werden und die Arbeitslast für die verbleibenden Redaktionsmitglieder wurde höher. Den wenigsten (Fach-)Journalisten bleibt die Zeit bei jedem Thema tagelang zu recherchieren sowie zig Quellen zu bewerten und zu prüfen. Hier wird gerne auf Inputgeber und Experten zu rückgegriffen, die einem schon länger spannenden Content haben zukommen lassen, mit welchen man bereits interessante Gespräche geführt hat und deren Aussagen und Inhalten man vertraut.
People Business hat auch in Zeiten der digitalen Kommunikation hohes Gewicht
Kontakte zu Journalisten werden über Jahre aufgebaut und gepflegt. Es geht um Vertrauensarbeit. Wenn ein Journalist regelmäßig und über einen langen Zeitraum wertige Informationen für seine Leser erhält, ist er stärker an einem Dialog mit dem Absender interessiert und liest die Unternehmenspressemitteilungen und sonstige News aufmerksamer und eine Veröffentlichung dieser wird wahrscheinlicher. Zudem stehen die Chancen besser, dass er beispielsweise an dem Blog des Unternehmens Interesse hat und als Recherche-Quelle benutzt oder sogar den Social-Media-Kanälen folgt, um immer auf dem Laufenden zu sein.
3. Das magische Dreieck – Erfolgsfaktoren für Veröffentlichungen
Faktor 1: Bekanntheit der handelnden Marke
Vorrangig geht es darum, von wem die Botschaft kommt. Denn der Bekanntheitsgrad ist ein wichtiger Gradmesser für potenzielle Berichterstattung ist. Große Marken oder prominente Personen haben es viel leichter Gehör zu finden. Das Interesse der Leserschaft an diesen ist größer und Journalisten berichten dementsprechend häufig über sie.
Bringt beispielsweise Apple ein neues iPhone auf den Markt, berichtet nicht nur die Publikumspresse, sondern auch die Wirtschaftsmedien und IT-Fachpresse. Engagieren sich SAP und Microsoft für mehr Frauen in der IT, gibt es ebenfalls ein großes Medienecho und eine Vielzahl an Veröffentlichungen. Ähnlich interessante Initiativen von unbekannten Unternehmen finden hingegen kaum Beachtung.
Faktor 2: Botschaft mit öffentlicher Relevanz
Vor allem Unternehmer, die jede Nachricht aus ihrem (noch) unbekannten Unternehmen als öffentlich relevant empfinden sollten sich vergegenwärtigen, was öffentliche Relevanz bedeutet. An dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Relevanz hängt sehr stark an den sogenannten „Human Interests“. Dabei geht es um das große Ganze – die Ur-Interessen des Menschen – wie zum Beispiel große oder dramatische Ereignisse wie Katastrophen, die die Sensationslust befeuern. In diesem Feuerwerk von Mega-Botschaften, haben es „normale“ Produkte oder Services schwer wahrgenommen zu werden.
Wie man dennoch Einfluss auf die Veröffentlichungswahrscheinlichkeit nehmen kann, zeigt folgendes Beispiel: Bietet ein Restaurant eine neue Art von Pizza (= Produkt, keine Botschaft mit öffentlicher Relevanz) an, wird es diese Nachricht kaum in eine Zeitung schaffen. Wenn aber das gleiche Restaurant die Pizza in der Adventszeit an Bedürftige verschenkt, könnte diese Charity-Aktion zu einer News in der regionalen Tageszeitung werden, weil eine breitere Öffentlichkeit sich davon angesprochen fühlt.
Faktor 3: Aktualität der Botschaft
Bekanntlich berichtet kein Journalist über ein Thema, das schon x-mal diskutiert oder komplett abgelöst wurde von relevanterer tagesaktueller Berichterstattung. Gerade, seit in manchen Branchen die Online-Medien den Ton angeben, ist Aktualität und damit Schnelligkeit wichtiger denn je. Selbstredend stehen diese Faktoren gegenseitig im Trade Off. Starke Ausprägungen des einen Faktors gleichen Defizite bei anderen aus. Für die Mehrheit der Unternehmen ist dieser Trade Off eine große Chance. Denn was tun, wenn man nicht Google, Microsoft, SAP oder Telekom heißt – die Flinte ins Korn werfen? Auf keinen Fall.
Man muss aber verstärkt mit Relevanz und Aktualität punkten. Ist ein Unternehmen, seine Produktpalette oder Services (noch) kaum bekannt, muss es umso schneller auf Branchen-Trends reagieren oder diese konkret mitgestalten und rechtzeitig Themen besetzen. Hier kommt vielen Unternehmen ihre Branchen-Expertise zugute. Gespräche mit Kunden, Partnern und Dienstleistern ergeben oft ein Bild von Themen, die künftig auf der Agenda stehen. Dies sollten Unternehmen sich zunutze machen. Man sollte sich immer fragen, welchen Mehrwert man bieten kann, der beispielsweise über reine Produktspezifika hinausgeht.
Wäre es nicht sinnvoller zu berichten, welchen Herausforderungen sich die Zielgruppe gegenübersieht und wie diese gemeistert werden können? Dass man dann selbst einen Teil der Lösung parat hat, in Gestalt von Produkt X oder Service Y ist die Transferleistung, die die Zielgruppe am Ende selbst hinbekommt, wenn sie den Absender als kompetent und vertrauenswürdig eingestuft hat.
4. PR funktioniert nur mit glaubwürdigem Content
Hoher Objektivierungsgrad
Das Content-Marketing setzt zwar idealer Weise auf den Beziehungsaufbau mit seinen Zielgruppen, denn das reine verkaufen von Waren oder Dienstleistungen – das heißt aber noch lange nicht, dass die aufbereiteten Themen von Journalisten ebenfalls als relevant eingestuft werden. Im schlimmsten Falle lässt schlicht die Qualität der Aufbereitung zu wünschen übrig: von schlecht verpackten, platten Werbebotschaften bis hin zur Verwendung von Superlativen. So vergrault man die Medien schneller als einem lieb ist.
Ein wichtiger Punkt ist der Objektivierungsgrad. „Objektivierung“ ist nicht zu verwechseln mit „objektiv“. Im Gegenteil: PR-Botschaften müssen nicht an jeder Stelle objektiv sein. Medien fordern manchmal sogar subjektive Einschätzungen. Objektiviert bedeutet, dass Informationen derart aufbereitet sein sollten, dass sie weitgehend unabhängig von der Einschätzung des Verfassers sind.
Thesen wollen belegt sein
Wenn man es zu PR-Veröffentlichungen bringen will, gilt es, die getroffenen Aussagen zu belegen und den aufbereiteten Content zu unterfüttern. Auch hier besteht der Unterschied zwischen Content-Marketing und PR-fähigem Content im Grad des Anspruchs an die Belegkraft, der bei der PR signifikant höher ist. Im Rahmen des Marketings werden beispielsweise in Blog-Artikeln Schilderungen objektiviert dargestellt, jedoch entsprechen sie schlichtweg der Sichtweise des Verfassers oder des Unternehmens, das den Blog betreibt.
Strebt man aber eine Veröffentlichung in einer angesehenen Fachzeitschrift an, so reicht das bei Weitem nicht aus. Um Behauptungen zu belegen, bedarf es zum Beispiel Umfrageergebnisse oder Studien, die man bei einem unabhängigen Institut in Auftrag gegeben hat. Content-seitig richtig aufbereitet, können sie wahres PR-Gold sein. Oder aber man holt sich die Expertise Dritter hinzu, die die eigenen Aussagen untermauern und die nötige Glaubwürdigkeit schenken. Das können Partner oder Kunden sein, die zitiert werden und wertvolle Markt-Insights liefern.
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