Gratwanderung B2B-Suchmaschinenmarketing planen

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B2B-Marketing folgt langfristig in vielen Marketingdisziplinen dem B2C-Sektor. Aber bis es soweit ist, dass man im B2B-Sektor nach gleichen Gesetzmäßigkeiten agieren kann wie im B2C-Bereich, vergehen oft Jahre. In dieser Übergangsperiode sollte man sich nicht blind darauf verlassen, im B2B-Marketing so agieren zu können, wie man es aus B2C-Sektoren kennt. Denn im B2B-Marketing gibt es viele Besonderheiten zu beachten. Beachtet man sie nicht, verliert man mit hoher Sicherheit viel Geld. Dies gilt in starkem Maße beim Suchmaschinenmarketing, d.h. bei SEA (Search Engine Advertising) und SEO (Search Engine Optimization). Marketingentscheider sollten sich darüber im Klaren sein. Es ist eine Gratwanderung zwischen Erfolg und Misserfolg. Vor diesem Hintergrund sollten B2B-Marketer die Gratwanderung im Vorfeld gut planen, bevor man einfach losspaziert.

 

1. SEM für B2B ist speziell: Von Keywordstrategie bis zur Erfolgsmessung

Ob man nun SEA oder SEM (bzw. aufeinander abgestimmt beides) betreibt: Der Prozess / Ablauf besteht in der Bestimmung der Keywords, der Zuordnung der Contents, der laufenden Optimierung und die Erfolgsmessung. Unserer Erfahrung nach lohnt es sich in allen Phasen, bei B2B-Suchmaschinenmarketing besondere Maßstäbe anzulegen. Leider würde eine Erörterung aller Phasen den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen. Aber selbst ein Blick auf eine der Phasen, hier der Keyword-Bestimmung lässt erahnen, wie ausgeprägt die Besonderheiten für B2B-Unternehmen sind. Hier stößt man häufig auf das Phänomen der Goldenen-Reiter-Keywords und der Boomerang-Keywords. Beides sind Begriffe, die wir hier intern verwenden und keine eingebürgerten Begriffe. Sie sollen den eher unsichtbaren Mustern bei Keyword-Sets zu einer plastischen Assoziation verhelfen.

Um die folgenden Gedanken und Ausführungen besser zu verstehen, werden die Ausführungen immer anhand eines Beispiels veranschaulicht. Hierzu wählen wir als Beispiel ein mittelständisches B2B-Unternehmen, einen Softwareanbieter für Banken – und Leasinggesellschaften. Das Beispiel wird in den folgenden Kapiteln immer wieder herangezogen.

 

2. Goldene Reiter-Keywords als typischer Fallstrick für B2B-SEM


Long-Tail-Keywords als Standardempfehlung

Spricht man über die Keywordbestimmung im B2B-Bereich, stößt man schnell auf die Empfehlung zu Long-Tail-Keywords. Der landläufigen Empfehlung nach sollen sich B2B-Unternehmen unbedingt auf Qualität statt auf Quantität fokussieren und lieber auf wenige relevante Keywords werben anstatt mit der Gießkanne viele Keywords zu forcieren. Um gleich mit unserem Beispielunternehmen zu arbeiten, würde folgendes Long-Tail-Keyword beispielhaft in Frage kommen:

 „Software Anbieter für Banken“

Kaum jemand wird bestreiten, dass ein User, der so einen Begriff eingibt, tatsächlich mit einer guten Wahrscheinlichkeit sein könnte, den die Leistung unseres Beispielunternehmens interessiert. Der Streuverlust ist minimal. Welcher Marketingentscheider möchte das nicht? Gießkanne ist im Marketing immer schlecht. Eindimensional betrachtet ist die Empfehlung, für B2B-Unternehmen beim Suchmaschinenmarketing auf Long-Tail-Keywords zu setzen also richtig.


Spaßbremse niedriges Suchvolumen

Aber der praktische Nutzwert dieser Empfehlung stellt sich schnell als begrenzt heraus, wenn man die Kehrseite betrachtet. Denn bei aller Begeisterung für Long-Tail-Keywords wird gerne vergessen (zu erwähnen), dass sie für die Marketingstrategie große Fragezeichen mit sich bringen. Man muss nämlich das Suchvolumen im Auge behalten. Je bedarfsgerechter ein Suchbegriff im B2B-Bereich konstruiert wird, desto länger bzw. komplexer ist er. Der Begriff wird von wenigen Menschen „gegoogelt“.  Das hat in der Praxis des Suchmaschinenmarketings sehr negative Auswirkungen.


Umgang mit „Goldene Reiter“-Keywords in SEA und SEO

Betrachtet man die SEA-Variante, dann bekommt man von Google Ads bei Long Tail Keywords gerne die kalte Schulter gezeigt. Mit der Nachricht „KW nicht ausgespielt; geringes Suchvolumen“ bedeutet Google dem Werbetreibenden, dass der Begriff nicht beworben werden kann (manche sagen, weil Google damit zu wenig Geld verdient). Für SEO heißt das: Selbst wenn man sich organisch gut positioniert hat („Wir sind auf Seite 1 bei Google, hurra…“) kommt es hier nicht zu einer signifikanten Erhöhung des Traffics für dieses Keyword. Zieht man nämlich das geringe Suchvolumen in Betracht, bedeutet dies auch, dass man nur sehr selten auf einen Klick auf dieses Long-Tail-Keyword hoffen kann. Es mag sein, dass dieser eine User dann genau der perfekte Kunde ist. Dann ist das ein phantastischer Wirkungsgrad.

Das Problem ist der Umgang / Planung im Rahmen eines Marketing Mixes. Wenn es einem Unternehmen genügt, dass alle Jubeljahre „der Goldene Reiter“ vorbeikommt und über dieses Keyword anfragt, dann ist das eine perfekte Strategie. Aber gerade größere B2B-Unternehmen haben meistens auch größere Sales-Teams, die auf regelmäßige Leads hoffen. Mit Long-Tail-Keywords gibt es hier oft lange Gesichter, weil eben die qualitativ zwar hochwertigen Leads viel zu selten Leads eintreffen.

Dieses Beispiel zeigt: Die Empfehlung der Long-Tail-Keywords landet in vielen B2B-Konstellationen schnell in einer Sackgasse: SEA wird gar nicht erlaubt – und SEO liefert (je nach Erwartungshaltung der Unternehmen) zu wenig Lead-Druck.

3. Boomerang-Keywords als zusätzliche Herausforderung im B2B-SEM


Entfernung aus Long-Tail-Nische kann B2B-Marketer im Spiel halten

Es wird klar: Wenn man die Möglichkeiten des Suchmaschinenmarketing als B2B-Unternehmen nicht gleich begraben will, muss man sich aus der Nische der Long Tail Keywords heraustrauen. Es bleibt einem nur die Möglichkeit generischere Keyword-Varianten zu probieren, um die Besucherströme dann mit einer guten Conversion-Optimierung an die gewünschten Inhalte mit den Leistungsbeschreibungen zu leiten. Man bewegt sich also bewusst in Richtung der aus Marketingentscheider-Sicht verpönten „Gießkanne“ und beobachtet eng, wie hoch der „Preis“ dafür sein wird. Zur Verdeutlichung soll hier der obige Long Tail Begriff unseres Beispielunternehmens wie folg modifiziert werden in:

„Banken Software“

B2B2C-Konstellation sorgt für Boomerang Keywords

Wie immer, wenn man sich aus der Komfortzone bewegt, gibt es hier ordentlich Gegenwind. Manchmal weht er aus Ecken, mit denen man nicht gerechnet hatte. Ein derartiger Gegenwind besteht im Phänomen der „Boomerang Keywords“. Mit Boomerang ist der Effekt gemeint, dass man ein Sportgerät mit Energie hinausschleudert und das Gerät wieder zu einem zurückkommt. Übertragen auf unser Keyword bedeutet das: Man investiert Energie für SEA oder SEO, schafft das Zwischenziel sogar (man bekommt planbar Klicks), aber es klicken die Falschen und machen unserem Beispielunternehmen auch noch sinnlose Arbeit. In unserem Fall wird es eine gewaltig große Menge an Usern geben, die einfach eine Lösung für ihr Online-Banking suchen. Es werden zu 99% Privatleute sein, d.h. wir sind im B2C. Das Geschäft interessiert unser B2B-Beispielunternehmen überhaupt nicht. Oft kommt es dann auch noch zu unzutreffenden Anfragen, die unser Softwareanbieter ja ebenfalls professionell managen muss. Wie kommt das?

Oft hat man als B2B-Unternehmen gerade als Mittelständler eine sehr spitze Zielgruppe. Das bedeutet, sie haben eine überschaubare Zahl an Mittelständlern oder Konzerne als potenzielle Kunden.  Diese bedienen aber einen gewaltigen Markt im B2C-Bereich. Und schnell ist man in den Kontext der Köpfe / Erwartungen einer gigantischen Zielgruppe. Aber der nun reduzierte Begriff auf „Banken Software“ hat nicht mehr die Trennkraft, um zwischen diesen beiden höchst unterschiedlichen Sektoren zu unterscheiden. Es werden diese beiden extrem ungleichen Mengen gleichzeitig angesprochen. Die Konsequenzen für die Praxis sind enorm.

Konsequenzen von Boomerang Keywords für SEA und SEO

Was bedeutet das für die beiden SEM-Disziplinen SEA und SEO? Bei SEA hat man nicht mehr (wie oben im Long-Tail-Bereich das Problem, dass Google nicht schalten will. Die geringere Komplexität des Suchbegriffs geht einher mit einer Steigerung des erwarteten Suchvolumens. Man darf also an den Ads-Auktionen (mit den anderen Wettbewerbern) teilnehmen, bekommt bezahlte Klicks auf den Suchbegriff und versucht den Streuverlust zu begrenzen. Das geht beispielsweise durch ein sehr eng getaktetes Justieren der Ausschluss-Keywords. Wer das einmal betrieben hat, staunt immer wieder wie viele (aus Sicht des Werbetreibenden) unnütze Assoziationen Google hier zulässt und wie wenig von denen dabei sind, auf die man eigentlich gehofft hätte.

Auf SEO-Seite stellt sich ein ganz anderes Problem. Denn hier ist das Problem, dass man mit Unternehmen aus einer nachgelagerten Stufe der Wertschöpfungskette konkurriert. Auf Deutsch: Man konkurriert plötzlich mit den eigenen Kunden, die in unserem Kontext viel mächtiger sind. Beispielweise stellen die Kunden unsere Beispielunternehmens eine Banking-Software her, die für den Massenmarkt gedacht ist. Für die ist der Begriff „Banken Software“ viel aussichtsreicher, denn aufgrund des großen (B2C)-Marktes generieren gute Platzierungen enormen Traffic. Sie sind meistens größer, stärker und marketingaktiver. Somit hat es unser mittelständischer Softwareanbieter für Bankensoftware extrem schwer, auch bei massivem SEO-überhaupt auf die relevanten Plätze in Google zu kommen.

 

4. Fazit: SEO und SEA im B2B-Bereich gleicht einer Gratwanderung

Wir betreuen seit über einem Jahrzehnt vorwiegend B2B-Kunden als Ansprechpartner für deren gesamtes Marketing. Vor diesem Hintergrund sitzen wir mindestens einmal im Jahr mit den Kunden zusammen, um die Marketingstrategie und den Kommunikationsmix zu justieren. Dabei kommt jährlich das Thema Suchmaschinenmarketing auf den Tisch. Zu Recht. Gelingt SEA oder SEO, dann ist es ein gewaltiger Mehrwert für die Lead-Generierung. Seit es uns in den letzten zwei Jahren gelungen ist in unseren Hauptbranchen SEO-seitig wirklich exzellent aufgestellt zu sein, ist es fast magisch: Wir bekommen wie aus dem Nichts beständig Nachfragen und zwar genau von den Interessenten, die wir uns wünschen mit dem Anliegen, das wir uns wünschen.

Aber auch wir haben die Besonderheiten im B2B-Suchmaschinenmarketing erst durchdringen müssen. In diesem Zusammenhang sei betont, dass die hier thematisierte Phase der Keywordbestimmung nur einen Bruchteil der Thematik repräsentiert. Die B2B-Gesetzmäßigkeiten bekommt man im ganzen Suchmaschinenprozess zu spüren, von der Keyworstrategie bis zur Erfolgsmessung. Das zeigt: Suchmaschinenmarketing im B2B-Segment ist eine Gratwanderung. Und wie bei jeder Tour sollte man sich dies im Vorfeld gut überlegen und die Route gut planen.

 

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