Claims mit Liebe
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„Liebe, und dann tue, was du willst!“ Dieser sogenannte „Imperativ der Liebe“ stammt von Augustinus Aurelius (354 – 430) und ist fast 1.600 Jahre alt. Trotz dieses Alters scheint der Satz in abgewandelter Form so aktuell wie nie, wenn man die Marketingbotschaften einer großen Zahl von Unternehmen betrachtet. Die abgewandelte Form könnte lauten: „Liebe, und dann werbe, wie Du willst!“
Es hat wohl jeder mitbekommen, Liebe ist in der Marketing- und Unternehmenskommunikation ein gerne verwendeter Begriff. Es wimmelt vor Botschaften, die mit Liebe zu tun haben. Das gleiche gilt natürlich auch für die Begriffe Leben, Leidenschaft usw. MitarbeiterInnen, die viel Liebe zu geben haben, sind im Marketing scheinbar gut aufgehoben.
Liebe, wohin man blickt…
Gefühlt jeder zweite Claim / Slogan oder Spot erzählt davon, wie sehr der Kunde geliebt wird. Wenn nicht der Kunde geliebt wird, dann das zu verkaufende Produkt bzw. das Unternehmen. Jedes Unternehmen scheint mit einer brennenden Leidenschaft hinter seinem Produkt zu stehen. Uns hat dieser Eindruck dazu veranlasst, uns auf die Suche zu machen und herauszufinden, wie viele mit Liebe garnierte Marketingbotschaften man tatsächlich findet.
Lange suchen mussten wir nicht. Binnen kurzer Zeit haben wir eine lange Liste mit Claims / Slogans von Unternehmen erstellt, die sich um Liebe drehen. Bei 75 haben wir aufgehört, die Liste ließe sich ewig weiterführen, wenn man beispielsweise regionale Radiosender, die alle ihre Heimat lieben, miteinbezieht. Hier also die Liste zum Schmökern und Schmunzeln. Die meisten Claims sind aktuell, manche haben mittlerweile gewechselt:
Auswahl von 75 liebenden Unternehmen:
- Edeka – Wir lieben Lebensmittel
- Condor – Wir lieben Fliegen
- Mc Donald’s – Ich liebe es
- Zdf Mediatek – Wir lieben Fernsehen
- Saturn – Wir lieben Technik
- ProSieben – We love to entertain you
- VW – Wir lieben Autos
- Deichmann – Weil wir Schuhe lieben
- CAVALLO – Weil wir Pferde lieben
- Antenne Bayern – Wir lieben Bayern
- Apetito – Wir lieben‘s frisch
- de – Wir lieben Designs
- Advocard – Advocard ist Anwalts Liebling.
- Iglo – Für alle die mit Liebe kochen
- Landliebe – Liebe ist, wenn es Landliebe ist
- NUK – Aus Liebe und Verantwortung
- Oil of Olaz – Aus Liebe zu meiner Haut
- Passionata – Nur Liebe ist schöner
- Penaten – Liebe, Schutz und Pflege
- Robinson Club – Zeit für Gefühle
- Sanella – Backen ist Liebe, Sanella ist backen
- Shell – Autos lieben Shell
- Siematic – Am liebsten nur das Beste
- Skoda Fabia – Perfektion aus Leidenschaft
- Starbucks – Kaffee aus Leidenschaft
- Viva – Viva liebt dich
- 8×4 – Frische-so wie ich sie liebe
- Kuhlmann – Aus Liebe zum Detail
- FC Köln – Meine Liebe. Meine Stadt. Mein Verein.
- 11 Freunde – 11 Freunde. 1 Liebe
- 8 in 1 – Das Tier lieben, seine Natur achten
- FC Saarbrücken – Liebe kennt keine Liga
- Alsterradio – Wir lieben Hamburg
- Amazon Kindle – Perfekt für alle, die Lesen lieben
- Baiersdorf – Fränkisch. Modern, liebenswert
- Bösel – Aktiv und liebenswert
- Kühne – Mit Liebe gemacht
- Apetito – Wir lieben’s frisch
- Pedigree – Wir lieben Hunde
- Johanniter – Aus Liebe zum Leben
- Österreichisches Rotes Kreuz – Aus Liebe zum Menschen!
- Arena – Aus Liebe zum Spiel
- Intersport – Aus Liebe zum Sport!
- Ibis Hotels – Hotels wie ich sie liebe
- Knorr – Knorr, Essen mit Lust und Liebe
- TV Spielfilm – Sie lieben Filme? Wir auch!
- Cinzano Asti – Verliebt in das Leben. Verliebt in Asti Cinzano
- Land Mecklenburg-Vorpommern – Verliebt in Schwerin
- Tele 5 – Wir lieben Kino
- Sheba – Zwei Leben, eine Liebe
- Diesel – Nature-love it while it lasts
- Pfanni – Liebe die man schmeckt
- Antenne Bayern – Wir lieben Musik
- Bäckerei Frank Schneider Riesa – Mit Liebe gebacken
- Lieferheld – Dein Lieferservice. Dein Lieblingsessen
- BVG – Weil wir dich lieben
- DaWanda – Aus Liebe zum Detail
- Edeka Reisen – Aus Liebe zum Reisen
- Ölz – Jeder schmeckt, dass Ölz mit Liebe bäckt
- Ramazotti – Leben. Lieben. Lachen.
- Bertolli – Das Leben lieben
- Pampers – Liebe, Schlaf und Spiel
- Alpro – Aus Liebe zu ihrem Körper
- Alsterradio – Wir lieben Hamburg
- AAS- Agentur – Wir machen es und Sie werden es lieben!
- Airbus A380 – Liebe auf den ersten Flug
- Al-Vet – Liebe geht unter die Haut
- Aktiv Back! – Aus Liebe zum Genuss
- Amourette – Zum Verlieben chic
- Apple Watch – Wer sie trägt wird sie lieben
- Arameo – Veranstaltungen zum verlieben
- Arge-Haus – Häuser zum Verlieben
- Assima – Alles was wir lieben
- Deutsche Bank – Leistung aus Leidenschaft
- Nordsee – Fisch verliebt
All you need is love?
Wer wirklich damit angefangen hat, ist schwer zu sagen. Pro Sieben wirbt seit 2003 mit dem Claim „We love to entertain you“, 2007 kam Saturn mit „Wir lieben Technik“ dazu. Das herauszufinden, ist hier aber nicht die Intention. Es geht darum, zu erfahren, weshalb sich aktuell so viele Unternehmen der Liebe verschrieben haben. Offensichtlich scheint auf Differenzierung kaum noch Wert gelegt zu werden (ähnliches Phänomen wie bei den Firmennamen von Internetunternehmen, die scheinbar fast alle auf „O“ enden).
Angesichts der Ähnlichkeit der Claims aus der Liste stellt sich überspitzt gesagt folgende Frage, ob sich heute die Formel für einen gelungenen Claim wie folgt formulieren lässt:
„Wir lieben [X]“ (X=Unternehmen oder Produkt)
Auf den ersten Blick schon, zumal sich viele Unternehmen in der Liste wiederfinden, die groß und bedeutend sind und damit vermutlich beträchtliche Kommunikationsetats zur Verfügung haben. Es ist davon auszugehen, dass hier Top Marketing Teams und Top Agenturen daran arbeiten. Kann das Resultat des Wirkens dieser hochbezahlten MitarbeiterInnen tatsächlich in so vielen Fällen ein gefühlt zum tausendsten Mal gehörter Liebesschwur sein?
Bevor hier die allgemeine Einfallslosigkeit und „Abschreiberitis“ im Marketing beklagt wird, sollte man kurz innehalten: Auf den zweiten Blick erkennt man, dass die häufig zum Verwechseln ähnlich klingenden Beispiele erhebliche Qualitätsunterschiede bezüglich Kreativität aufweisen. So ist z. B. beim Nordsee-Slogan „Fisch verliebt“ vieles enthalten:
- Als erstes natürlich die Liebe
- Ein Wortspiel (Frisch und Fisch, frischer Fisch)
- Konnex zu einem konstitutiven Positionierungsmerkmal von Nordsee (Frischer Fisch!)
- Gelernter Wortlaut / Klang („Frisch verliebt“)
Sicherlich sind dagegen Slogans, die einfach nach der obigen Formel „Wir lieben X“ und als „X“ einfach das Produkt oder Unternehmen nennen, weitaus weniger versiert. Auch wenn nicht gesagt ist, dass sie dadurch weniger wirksam sind.
Sie können gar nicht anders: Marketing-MitarbeiterInnen in der Liebesfalle
Trotz dieser individuellen Unterschiede sind sehr wohl Kräfte am Werk, die die Marketing-MitarbeiterInnen in Richtung Liebe drängen. Vorweggesagt: Es gibt auch hier Nachahmer- und Trittbrettfahrer-Effekte, da man viele erfolgreiche Vorzeigeunternehmen findet (siehe Liste), die einen derartigen Claim / Slogan einsetzen.
Aber im Gegensatz zum Phänomen der Internetunternehmen, deren Name auf „O“ endet, gibt es für die Liebe (in Claims) gute Gründe. Gemeint sind Gründe, die nach dem heutigen Stand der Marketing- und Kommunikationserkenntnisse dafürsprechen. Im Folgenden werden hier die drei wichtigsten skizziert (eine genauere Analyse folgt bald an dieser Stelle):
1. Alte Weisheit: Marketing braucht Emotionen
Die Sättigung der Märkte hat die Unternehmen schon vor vielen Jahrzehnten dazu gezwungen, in die Welt der Emotionen auszuweichen. So kreieren die Unternehmen schon seit langer Zeit Markenwelten, die vor allem auf Emotion und sozialem Zugehörigkeitsgefühl basieren, anstatt mit Produktvorteilen die Ratio des Empfängers zu adressieren. Eine wichtige Nebenbedingung hierbei ist die Herstellung eines positiven Wohlfühlrahmens über alle Transportwege hinweg (Bild, Sprache, Ton). Bezogen auf Sprache ist man somit schnell im Segment positiver Wörter und hier ist allen voran Liebe (aber auch Leben, Leidenschaft usw.) ganz vorne mit dabei.
2. Verstärkung: Hirnforschung / Neuromarketing allgemein
Weiter eingeengt wird der Handlungsrahmen für die Marketing-MitarbeiterInnen, wenn man die unter dem Stichwort Hirnforschung / Neuromarketing gewonnenen Erkenntnisse in die Überlegungen miteinbezieht. Hier gibt es mehrere Denkrichtungen. Gemeinsam ist ihnen aber die These, dass der Information Overload dazu führt, dass Menschen die meisten Botschaften gar nicht mehr wahrnehmen. Egal wie gut die beworbenen Produkte sind.
Denn selbst wenn man objektiv gesehen das beste Produkt hat, steht man vor dem Problem, dass einem niemand (bewusst) zuhört. Schenkt man der Hirnforschung / Neuromarketing Glauben, so muss man sich also von vornherein auf das Unterbewusstsein des Empfängers konzentrieren. Hier gibt es je nach Anschauung einige wenige Ur-Motive / Emotionen, die man bespielen kann. Eines dieser Motive ist der Bereich „Liebe / Geborgenheit“.
3. Zuspitzung: Hirnforschung / Neuromarketing angewendet auf Wording
Ähnliche Forschungs-Disziplinen beschäftigen sich mit der Frage, wie das Gehirn unterschiedliche Wörter verarbeitet. Dabei ist man zum Ergebnis gekommen, dass Wörter wie „Leben, Liebe“ usw. ganz andere Gehirnregionen aktivieren als z. B. „Kompetenz, Herausforderung, Besprechung“. Vereinfacht gesagt werden diese Begriffe schneller aufgenommen und bleiben besser „haften“.
Diese drei Effekte verdeutlichen, weshalb Marketing-MitarbeiterInnen sich der Liebe so stark verpflichtet fühlen, wenn sie über Marketingbotschaften (z. B. wie hier Claims oder Slogans) nachdenken.
Fazit / Tipps
Sie machen nach heutigem Stand der Marketingerkenntnisse vieles richtig, wenn Sie es schaffen, das Thema Liebe in die Kommunikation einfließen zu lassen. Dennoch gibt es viele handwerkliche Unterschiede.
1. Sie müssen es ja nicht bei der Liebe belassen. Man kann uralte Stilmittel, die einen Slogan einprägsamer machen, kombinieren (Reime, Alliterationen, Wortspiel). So ist z. B. beim Nordsee-Slogan „Fisch verliebt“ vieles enthalten, das einen Slogan / Claim stark macht. Als erstes natürlich die Liebe.
Zugleich kombiniert ein Wortspiel (Frisch und Fisch, frischer Fisch). Es enthält auch einen Konnex zu einem konstitutiven Positionierungsmerkmal von Nordsee (Frischer Fisch!). Und es klingt nicht konstruiert, sondern nach einem vertrauten Wortlaut / Klang („Frisch verliebt“), so dass es schnell Zugang zu unserem Unterbewusstsein findet.
2. Liebe kann auch zum Verhängnis werden. Das ist wohl dann der Fall, wenn die Marketingbotschaft vom Empfänger schnell als unglaubwürdig eingestuft wird. Hier hilft dann das ganze Neuromarketing nichts mehr. Ein Beispiel aus der eigenen Praxis: Einmal habe ich einen jungen Industriemanager auf einer Messe begleitet. Auch in der kalten, Ingenieurs-lastigen B2B-Welt wurde auf der Messe schon viel von Liebe zu den angepriesenen Anwendungen gesprochen. . Mein junger Begleiter (der nicht aus dem Marketing ist) rannte auf den Stand zu dem Mitarbeiter des Kläranlagen-Unternehmens und sagte zu ihm: „So, jetzt will ich wirklich wissen, wie man es schaffen kann, einen Abfluss-Gully zu lieben…“